Ich habe am Anfang meiner Ausbildungen noch gelernt: Sexualtherapie ist immer Paartherapie. Das halte ich heute für Quatsch. Natürlich betrifft ein sexuelles Problem immer das Paar, aber manchmal hat auch ein Single ein Problem mit seiner Sexualität, oder die Beziehung zerbricht am sexuellen Problem und es bleibt nur ein Hilfesuchender übrig. Und manchmal will eine/r vom Paar gar nicht mitkommen. Soll ich die Einzelpersonen wegschicken?
Die Aussage, dass Sexualtherapie immer Paartherapie sein muss, zeigt die Denkweise der meisten Sexualtherapien: Die Paarsexualität bildet die Paardynamik ab. Henne und Ei sind klar definiert: Paardynamik ist Henne, Sexualität das Ei. Gute Liebe – guter Sex.
Die verschiedenen sexualtherapeutischen Modelle gehen unterschiedlich mit diesem Grundsatz um:
– TherapeutInnen mit tiefenpsychologischem Hintergrund werden z.B. den Umgang mit den Übungen des Hamburger Modells eher als projektiven Test deuten.
– Die verhaltenstherapeutischen BehandlerInnen legen den Fokus mehr auf die Herstellung eines funktionierenden Geschlechtsverkehrs.
– Die syndyastische Sexualtherapie konzentriert sich auf die bindungs-stabilisierende und beziehungs-festigende Funktion von Sexualität.
Nimmt man die Annahme: „Stimmt die Beziehung stimmt auch der Sex.“ nicht als die reine Wahrheit, kommen sehr wirkungsvolle Ansätze dabei heraus:
– Für Esther Perel ist zu viel Nähe und Intimität einer der wichtigsten Lustkiller überhaupt. Sie sieht in unserem romantischen Liebesideal einen der Hauptfaktoren für die zunehmende Lustlosigkeit bei Paaren. (Ihr Buch „Wild Life: Die Rückkehr der Liebe in die Erotik“ kann ich nur empfehlen.)
– Von Ulrich Clement stammt die simple wie geniale Idee zwischen Können und Wollen zu unterscheiden und sich auf das Wollen zu konzentrieren. Damit ist auch die Grundidee seiner systemischen Sexualtherapie beschrieben. Bei der geht es nämlich in erster Linie um das „Wollen“, das Begehren. Klarheit in den individuellen Positionen führt zu klaren Beziehungen. „Guter Sex trotz Liebe“ ist der Buchtitel dazu.
– Dem sehr ähnlich (die beiden kennen sich…) ist auch David Schnarch. Ebenfalls ein wichtiger Vertreter der Autonomie-orientierten Modelle. In seinem Konzept entsteht dauerhafte Intimität dann, wenn die Partner sich nicht an der Bestätigung durch den jeweils anderen orientieren, sondern durch Differenzierung eigenständig bleiben und zugleich partnerbezogen.
Für die Arbeit mit Paaren bevorzuge ich den systemischen Ansatz, wie ich ihn von U. Clement lernen durfte. (Nicht zu verschweigen die inspirierenden Kontakte mit Esther Perel!) Gelegentlich schlage ich auch Übungen aus dem Sensate Focus vor.
Seit 2009 arbeite ich vorwiegend mit dem Approche Sexocorporel, den ich für den besten (und derzeit einzigen) Ansatz für die Arbeit mit Einzelnen halte.