Haben Sie es gelesen? Anfang Juni im Stern: «Lust auf Rezept» steht da ganz groß. Und darunter: Viagra für die Frau: Forscher haben eine Pille entwickelt, die Beziehungen retten kann – aber unsere Gesellschaft spalten wird.
Gäääähn, sag’ ich da, und: Sommerloch! Warum? Mindestens einmal im Jahr kommt so eine Schlagzeile. Und im Artikel steht dann, auch dieses Mal: Nein, gibt es noch nicht. Aber die Wissenschaft ist dran. Allerdings hat Pfizer es schon aufgegeben: die weibliche Lust durch Pilleneinnahme herzustellen. Auch die männliche Lustpille ist ja eigentlich keine Lustpille sondern ein Durchflussbegrenzer. Dass sich sexuelle Erregung durch Cremes, Pillen und Pflaster begünstigen lässt, ist ja ein alter Hut. Aber sexuelles Begehren, die sogenannte Libido, oder auch der – und dieser Begriff samt Dampfkochtopfmodell hält sich hartnäckig – Sexualtrieb??
Ich kann nur müde lächeln bei dem Versuch, etwas so vielschichtiges und komplexes durch eine Substanz erzeugen zu wollen. Nicht weil ich meine Arbeitslosigkeit befürchte – ich würde es allen Betroffenen Frauen und Paaren wünschen, durch Tabletteneinnahme ihr Problem zu lösen.
Eine solche Pille könnte funktionieren, wenn Lust etwas mit simpler Körperchemie zu tun hätte. Dass es mit Körperchemie zu tun hat, davon bin ich überzeugt, aber eben nicht mit simpler. Ein bischen das Hormon, ein bischen diese Funktion gehemmt und eine andere angeregt und schon ist die Lust da! Auch dann, wenn frau total gestresst ist von der Kinderversorgung, der Haushaltsorganisation, der Arbeit. Oder wenn Frau abgeturnt ist vom Mundgeruch, Übergewicht, Nikotinduft ihres Liebsten, oder dem Gefühl, selbst nicht attraktiv zu sein. Und natürlich auch dann, wenn Depressionen oder/ und Ängste im Wege stehen, Paarprobleme, körperliche Schmerzen… einfach eine kleine Pille einwerfen und schon ist die Lust da. Denn normal und natürlich ist ja bekanntlich, dass die Lust einfach so da ist, ohne dass frau (und mann) was dafür tut. Wenn es doch so einfach wäre!
Und bis diese Pille dann auf dem Markt ist, mache ich meine Arbeit wie bisher und suche mit Paaren nach funktionierenden Lösungen für das Dilemma «Leidenschaft im Alltag».